Bildmaterial (alt) & wertvolle historische Informationen: Luzi Nett (Grossvater) – danka, Eni! :)
Bildmaterial (aktuell): Nicole Nett
Du hast dir wahrscheinlich ein zeitgemässer, wunderbar CSS-gestylter und interaktiver Blog vorgestellt? Naja, dieser «Pendlablog» ist eben ein bisschen anders – eine Challenge, im alten Sinne. Er ist etwas, was andere Medien heutzutage nicht mehr machen, nämlich ein altmodischer «One-Pager», statisch aufgebaut wie eine Webseite vor 30 Jahren. Design und Typografie stammen aus den 90ern. Wieso? Ich nehme dich mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Unter dem Motto «zurück zur Einfachheit» erzähle ich dir persönliche, historische und sachliche Hüttengeschichten zum alltäglichen Leben auf einem Maiensäss. Wie war es hier vor 100 Jahren? Wie ist es heute? Was hat sich verändert? Diese und noch mehr Fragen, welche in diesen drei Wochen auf mich zugekommen sind, werde ich in diesem «Pendlablog» beantworten.
Hello – it’s me! Mein Name ist Nicole. Bevor ich dich auf meine Zeitreise schicke, ein paar Stichworte zu mir:
Jetzt aber genug zu mir. Ich wünsche dir viel Spass beim Durchstöbern meines «Pendlablogs»!
Am 13. März 2020 gibt der Bundesrat den «Corona-Lockdown» für die ganze Schweiz bekannt. Für mein Studium wird schnell klar, das ganze restliche Semester dürfte sich im «Distance Learning» abspielen. Obwohl ich ein wunderschönes Zuhause habe, fliegt mir schnell die Decke auf den Kopf. Der Alltag wird immer eintöniger, die Vorlesungen sind ermüdend und ich bin von Tag zu Tag antriebsloser. Diese soziale Isolation mag ich gar nicht. Aber, besondere Ereignisse erfordern besondere Massnahmen, oder? Immer wieder denke ich daran, wie es wohl wäre, wenn ich die Schule im abgelegenen, alten Maiensäss von meinen Eltern, dem «Pendlahüschi» auf 1'200 Meter über Meer meistern würde. Die Hütte ist bald 100 Jahre alt, dementsprechend antik ist die Infrastruktur. Eine «MMPlerin» auf der Alp mit «Content Production» vs. «Natur pur». Geht das überhaupt? Naja, eine Multimedia Producerin sollte das ja schon irgendwie hinkriegen, oder? Ich entscheide mich am Sonntag, 29. März 2020 das Experiment zu wagen. Ich packe meine Sachen und fahre in Richtung Pendla…
Auf der Fahrt Richtung Pendla begegne ich schon den ersten Eiszapfen. Es könnte kalt werden.
Ist das schön, das «Pendlahüschi» endlich wieder einmal zu sehen! Früher habe ich immer meine Sommerferien hier oben verbracht. Deshalb habe ich diesen Ort schon seit meiner Kindheit in bester Erinnerung.
Das Hüschi ist noch im Winterschlaf. «Hüschi» ist übrigens prättigauerdeutsch und heisst «Hütte».
Pendla ist eine Walser-Siedlung mitten im Prättigau. Es hat noch mehr schöne Hüschi’s da. Es sind aber mehr Sommer- anstatt Winterhütten, da man im Winter kaum Sonne hat. Deshalb ist es jetzt, im März, noch sehr kalt – so auch heute. Schnell wird ein Feuer gemacht, in der Hütte hat es gerade einmal kühle 5 Grad.
Hier ein kleines «Anfeuer-Tutorial» im Zeitraffer:
Als endlich alles ausgepackt ist, kommt langsam auch der Hunger. Mein Freund Daniel ist auch hier und möchte das Experiment «Studieren auf Pendla» mit mir versuchen. Er ist ebenfalls Student an der Hochschule für Technik Rappserwil (HSR) und studiert Maschinentechnik I Innovation im 6. Semester. Ich finde es schön, nicht allein hier zu sein. Ich finde es nämlich teilweise ein bisschen unheimlich, vor allem in der Nacht. Deshalb ist es wunderbar, dass er da ist – denn, er kann auch gut kochen. ;)
So kocht Daniel am ersten Tag den Pendla-Klassiker: Teigwaren mit Tomatensauce in den steinalten Lochpfannen. Mmm, das ist lecker!
In den 40-50er-Jahren befand sich hier noch eine offene Feuerstelle fürs «Käsikessi» für die Milchverarbeitung zu Käse. Die Feuerstelle zum Kochen mir russschwarzen Pfannen ist heute noch in Verwendung. Die Menüauswahl war früher natürlich sehr bescheiden. Heute ist das Kochen in der Zivilisation viel einfacher geworden. Mit einem Klick hat man innert Kürze heisses Wasser und kann innert wenigen Minuten ein perfektes Menü herzaubern. Hier muss auch heute noch zuerst Holz und Wasser geholt werden. Erst dann kann man anfeuern. Bis das Wasser heisst ist, dauert es etwa 20-30 Minuten. Backofen, Steamer, Abwaschmaschine etc. hat man hier nicht – deshalb muss auch alles von Hand abgewaschen werden. Ja, fürs Kochen müssen wir jeweils genügend Zeit einrechnen.
In der ersten Nacht ist es unglaublich kalt. Als ich am Morgen aufstehe, wird mir auch klar weshalb. Es hat uns eingeschneit. Draussen hat es -3 Grad!
Der Schneesturm im Video:
Nachdem ich ein Feuer im Ofen gemacht habe, nehme ich meine Schulsachen hervor. In etwa 30 Minuten beginnt «Schreiben und Sprechen». Ich nehme den Laptop und ein Block mit Stift. Zum Glück habe ich den Laptop zu Hause noch aufgeladen. Denn ich möchte das ganze Experiment natürlich auch dokumentieren und nehme deshalb alle meine Geräte und Kameras mit. Das grösste Problem dürfte aber wohl der Strom sein, der aufgrund einer Solaranlage nicht unbegrenzt vorhanden ist. Doch für die Schule brauche ich Strom – sehr viel sogar. Das heisst: Die Sonne muss viel scheinen. Das ist am ersten Schultag aber schon einmal nicht der Fall. Ja, dieses Pendla-Erlebnis dürfte dieses Mal definitiv anders werden als sonst. Ich bin ja nicht hier, um Ferien zu machen, sondern um die Schule von hier aus zu meistern. Noch ist aber alles aufgeladen und der erste Schultag läuft dank Hotspot recht gut.
Es hat aufgehört zu schneien und die Sonne kommt hinter den Wolken hervor. Das ist eine wohltuende Wärme – denn in der Hütte ist es 17 Grad, was nicht so warm ist. Deshalb wird der ganze Tag der Ofen angefeuert, gegen Nachmittag wird es wärmer und die Hütte erreicht 21 Grad.
Nach der Schule mache ich einen Spaziergang. Ich habe mir vorgenommen, auch von hier aus auf das körperliche Wohlbefinden zu achten. Daniel und ich sind derzeit die einzigen Menschen weit und breit. Deshalb geniesse ich die Ruhe und einfach die Distanz von diesem ganzen «Corona-Wahnsinn». Bewusst schaue ich nicht immer auf das Handy, um die Neuigkeiten zu checken.
Das Aufwachen am dritten Tag ist der Wahnsinn! Ich ziehe die typisch «hüttlimässig» rot-weiss karierten Vorhänge auf und traue meinen Augen nicht: So eine einmalige Aussicht habe ich hier noch nie erlebt. Diese Beleuchtung mit der Kontrast der Sonne. Das Ganze kann man fotografisch kaum festhalten – aber die Berg-Kulisse ist wirklich einmalig!
Auch wenn im Tal der Winter teilweise fast ausbleibt, gibt es hier oben noch immer eine weisse Schneedecke. Vor 20 Jahren hatte es um diese Zeit sogar noch mehr Schnee.
Kalt ist es immer noch. Heute Morgen um neun Uhr hatte es -4 Grad. Da ich auch zu Hause immer mein Gesicht unter kaltem Wasser wasche – mache ich auch hier keine Ausnahme:
Die Schule darf auch heute nicht zu kurz kommen. So starte ich meinen Laptop und sehe schnell, dass das Meeting noch nicht angefangen hat. Also mache ich mir einen heissen Kaffee und ein Müsli. Dann geht der Unterricht los.
Naja, der 1. April ist ja immer so’ne Sache. Auf die eine Art finde ich es kindisch, jemanden zu veräppeln. Auf der anderen Seite bin ich wie gemacht für solche Dinge. Da ich an diesem Morgen noch nicht einmal auf die Uhr geschaut habe, kam eine Nachricht von meinem «Ätti» - der Vater, Papi oder was auch immer, ist einfach wieder einmal prättigauerdeutsch. ;D
Jaja, das ist natürlich fies. Kurz habe ich es noch geglaubt. Dann bemerke ich aber schnell, dass es sich um einen Aprilscherz handelt. Aber – der Kaminfeger kommt in der Regel wirklich einmal pro Jahr – das ist kein Witz. Natürlich einfach im Sommer, wenn er auch gut zur Hütte fahren kann. Daniel und ich machen einen Spaziergang. Es ist immer noch kalt und die Pfützen sind zugefroren. An diesem Eis finden wir den Gefallen: Es ist echt noch cool, wie das «Zerbrechen» in «slow motion» aussieht:
Nach der Schule kann ich mir das erste Mal eine kurze «Siesta» draussen gönnen. In einer Decke schön «eingemummelt» ist es auch gar nicht mehr so kalt.
Die Stimmung an diesem Abend ist sehr speziell. Nachdem die Sonne untergegangen ist, gibt es ein eindrückliches Abendrot.
Nun weisst du schon einmal ein bisschen Bescheid über mein «lifestyle» im Pendlahüschi. Deshalb möchte ich dir mit meinen Exkursen auch Einblicke in verschiedene Themengebiete bieten. Im ersten Exkurs geht es um die Walser-Siedlungen, also die Hütten hier auf Pendla.
Exkurs Walser-SiedlungenNach meinem «Walser-Spaziergang» bin ich inspiriert von diesen Hütten. Ich finde die Bauwerke eindrücklich. Was zu dieser Zeit alles machbar war – unglaublich! So beschliesse ich am Abend, mal etwas anderes zu machen, anstatt zu lesen oder Brettspiele zu spielen. Ich nehme ein Blatt Papier und beginne zu zeichnen.
Landschaften habe ich schon immer gerne gezeichnet. Nach ein paar Stunden entsteht eine Zeichnung, welche den Ausblick aus unserem Fenster visualisieren soll. Ich nenne die Zeichnung «Bergfrühling auf Pendla».
Das Wetter wird wärmer. Deshalb kann ich mein Homeoffice das erste Mal nach Draussen verlegen. Das ist eine willkommene Abwechslung, da das «im Hüschi hocka» langsam ein wenig öde wird.
Seit dem 1. April 2020 dokumentiere ich die Schneeschmelze mit einem «Schnee-Tagebuch». Jeder Tag schmilzt der Schnee ein wenig. Bis jetzt noch nicht sehr viel, aber immerhin sieht man schon was.
Der Zeitraffer zeigt dir, wie stark der Schnee innerhalb von ein paar Stunden schmilzt:
Auch die Pfützen, welche bisher gefroren waren, sind nun wieder aufgetaut. Der Frühling erwacht.
Schon eine Woche sind wir jetzt hier. Es ist an der Zeit, mal aufzuräumen. Klar, Abwaschen und Wischen gehören täglich dazu. Heute räume ich aber auch einmal die Kästchen auf.
Am Nachmittag bekommen wir Besuch von den Hüttenbesitzern, meinen Eltern. Es freut mich riesig, dass sie zu uns nach Pendla kommen.
Mein Ätti hilft uns beim Holzen. Wegen eines Sturms im letzten Herbst kippte in unserem Wäldli eine Tanne um. Unser Wäldli bietet die Möglichkeit, das Holz direkt von dort aus zu beziehen. Früher haben meine beiden Schwestern und ich dort Hütten gebaut und «Verstecken» gespielt. Heute dient das Wäldli als Lebensraum für die Wildtiere oder für die Gewinnung von Holz.
Die Holzstämme möchten wir nun versagen, damit wir für diese Saison wieder ausreichend Holz haben. Mit der Motorsäge geht es schon besser als noch früher mit der Axt und der Handsäge:
Das «Sägelen» macht mir definitiv mehr Spass als das Holz hacken. Ich glaub, das ist nichts für mich. Ist wohl doch eher «Männersache». Auch wenn ich es versuche, bin ich zu tollpatschig für solche Dinge. Mit dem hat sich ein «MMPler» auch weniger zu beschäftigen. ;)
Dafür habe ich ein paar Aufnahmen vom Holz hacken gemacht. Daniel kann es definitiv besser als ich.
Die versagten «Holzrüggel» werden nun zu Brennholz.
Das Holz sollte nun wieder für eine Weile reichen. Nach dem Abendessen gibt es noch eine Runde «Monopoly». Das «Gesellige» darf auch in der heutigen Zeit nicht zu kurz kommen. Es ist ein gemütlicher Abend. Dieser dauert bis um Mitternacht. Drei «frustrierte» und einen Sieger gibt es am Schluss. ;D
Heute ist eine Abgabe für «Schreiben und Sprechen» fällig. Ich lese die Texte noch einige Male durch und schicke sie ab. Obwohl ich eigentlich ständig nebenbei für die Schule arbeiten muss, gönne ich mir an diesem Sonntag auch einmal ein bisschen Ruhe. Um ein wenig abzuschalten, mache ich einen Spaziergang. Es ist beeindruckend, wie die «Krokusse» inzwischen gewachsen sind. Kaum ist der Schnee weg, ist am nächsten Tag schon ein wunderbares Krokus da. Ich liebe Blumen – deshalb sind die Krokusse für mich ein ideales Motiv. Während ich die Blumen fotografiere, überlege ich mir, was das eigentlich für Pflanzen sind.
Exkurs KrokusAn diesem Tag erwache ich früh. Ich sehe, die Sonne könnte nächstens aufgehen und stelle meine GoPro auf. Die Sonne zeigt sich hier bereits um etwa 7.15 Uhr:
Diese Woche findet in der Schule die Vertiefung «Live Communication» statt. In wenigen Minuten beginnt die Vorlesung. Also bereite ich mein inzwischen Standard-Müsli plus Kaffee zu und setze ich mich vor den Laptop. Der Alltag hat sich hier inzwischen eingependelt.
Nach dem Unterricht mache ich meinen obligaten Nachmittagsspaziergang. An einem kleinen «Bächli» halte ich inne. Ich muss sagen, die Ruhe hier ist einfach unglaublich schön. Diese «ungestörte Natur» möchte ich auch für dich als Leser festhalten. In diesem Video kannst du einem kleinen Berg-Bächlein lauschen:
Da ich am Morgen den Sonnenaufgang gefilmt habe, möchte ich am Abend ebenfalls den Sonnenuntergang festhalten. Auch heute ist wieder ein Traum-Tag mit einem Traum-Sonnenuntergang. Die Sonne scheint pro Tag schon mehr als 12 Stunden.
Bis jetzt habe ich schon viele magische Sonnenuntergänge festgehalten, jeder Sonnenuntergang ist wieder ein bisschen anders.
Dank dem schönen Wetter setze ich mich wieder nach draussen und fühle mich schon ein bisschen wie im falschen Film...
Ist es nicht grossartig, was die Technik heutzutage alles möglich macht? Bis jetzt habe ich mein ganzes Studium bereits zehn Tage problemlos von hier oben absolviert. Hätten das unsere Vorfahren geglaubt? Als ich noch ein kleines Mädchen war, waren wir komplett ohne Mobiltelefon hier. Damals hat man noch überhaupt keinen digitalen Einfluss von aussen gehabt. Corona wäre also spurlos an uns vorbeigegangen. Heute kann ich ohne Weiteres auch hier auf 1'200 Meter über Meer abchecken, wie viele neue Corona-Fälle es gegeben hat. Die Technik macht’s möglich.
Ich bin von Herzen eine «MMPlerin» und interessiere mich stark für die heutige Technik. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Leute vor 100 Jahren hier auf Pendla nicht viel verpasst haben. Klar, sie wussten nicht immer, was im Tal lief. Aber muss man das denn immer wissen? Muss man hier wissen, was die Kollegen auf den sozialen Medien machen? Muss ich wissen, was meine Mama heute zum Mittag gekocht hat? Beeinflusst dieses Wissen mein Tag? Ich denke nicht. Ich bin der Meinung, mal ein paar Tage ohne mobile Geräte würde uns allen nicht schaden.
So erlebe ich hier Corona, obwohl ich es eigentlich gar nicht wirklich erlebe. Klar, ich kann derzeit Freunde und Bekannte nicht sehen, aber das stört mich hier und jetzt nicht wirklich. Zu Hause hätte es mich sicher gestört. Aber hier lebt man einfach «in einer anderen Welt».
Das «soziale Zusammenleben» hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Man ist heute «social» über das Internet, aber nicht mehr im richtigen Leben. Früher hat man sich mehr Zeit genommen, um stundenlang auf einer Bank zu sitzen und einander Geschichten zu erzählen. Man tauschte sich noch aus. Deshalb hat es hier vor jedem Hüschi eine Bank.
Im Exkurs «Gute alte Zeiten» bekommst du einen Einblick in das Zusammenleben auf Pendla in den 40-50er-Jahren.
Exkurs «Gute alte Zeiten»Wenn ich hier schon wie meine Vorfahren vor 100 Jahren lebe, verhalte ich mich auch wie diese. Naja, es geht ja auch kaum anders. ;)
Heute ist wieder einmal Haare-Wäschetag. Vor 100 Jahren hat man das auch irgendwie geschafft – also schaffe ich es auch.
Heute ist der Abend des schon lange angekündigten «Supermondes». «Den werden wir wohl kaum sehen.», denke ich mir. Und plötzlich, während dem Abwaschen, ist er da. Ein einmaliger Anblick!
Meine Spiegelreflex-Kamera hat leider kein optimales Objektiv für detaillierte Mond-Aufnahmen. Gerne hätte ich einige nahe Schnappschüsse gemacht. Gerade in der Nacht war der Mond so hell wie eine Taschenlampe. Man hätte problemlos auf eine Wanderung gehen können.
Heute steht die Vertiefung «3D-Grundkurs» an. Dieser soll bis 17 Uhr dauern. Da ich in etwa weiss, was auf mich zukommt, gönne ich mir eine ordentliche Tasse Kaffee.
Nach diesem Tag bin ich fix und fertig. Als Belohnung gönnen wir uns ein Raclette, welches übrigens einmal pro Aufenthalt ein «Muss» ist. Das ist Tradition. Dazu gibt es einen feinen Schluck «Jeninser»-Wein. Mmm, das ist fein!
Heute ist der erste Tag der «Osterferien». Von diesen «Ferien» merke ich leider nicht viel. Den ganzen Tag habe ich für die Schule gearbeitet. Unter anderem muss ich für «Mediengestaltung» einen Fisch im Programm «Blender» modellieren. Ich habe mich für einen Clown-Fisch entschieden. Oje, das braucht viel Geduld und Nerven! Nach Stunden nimmt der Fisch endlich Form an.
Gegen Abend kommt ein freudiger Besuch – meine Eltern. Zu Hause hat Mama noch einen Marmorkuchen gebacken – ohh, der ist köstlich! Hier oben geniesst man solche Leckereien viiiel mehr als zu Hause, da man sie selten hat!
Ebenfalls kommt auch noch der «Pendla-Osterhase» vorbei und lässt uns ein Osternest da.
Meine Mama hat natürlich auch unser Border Collie «Jana» mitgenommen. Als sehr verwöhnte Hündin darf sie überall mit. Heute brauche ich einmal ein bisschen Abstand von der Schule und unternehme einen Spaziergang mit ihr. Sie hat riesengrosse Freude am noch verbliebenen Schnee.
Jana liebt nicht nur Schnee, sondern auch einfach das «chillen» auf der Wiese. Tagelang kann sie einfach herumliegen und umherschauen. Man merkt, ein Hund lebt schon mehr im «Hier und Jetzt» als wir Menschen. Ich wünschte, ich könnte das auch. Das ist aber im Moment, zwischen den vielen Projekten und Abgaben in der Schule, einfach nicht möglich. Leider.
Die Schönheiten der Natur faszinierten mich schon als Kind. In jeder freien Minute möchte ich draussen sein. Heute Abend schaue ich wieder einmal dem Sonnenuntergang zu. Es herrscht wieder eine schöne Abendstimmung.
Die Ostertage zu geniessen gelingt mir nicht wirklich. Morgen schon ist die Abgabe in «Mediengestaltung» fällig. Heute arbeite ich an der Dokumentation, weil ich mit meinem Clown-Fisch in «Blender» stecken geblieben bin. Meine Eltern sind da, mein Freund ist da und es wäre sooo eine tolle Stimmung hier – dazu noch das schönste Wetter.
Und ich sitze hier drin im Hüschi. Das ist so deprimierend. Aber naja, wie man sich bettet so liegt man – oder? Am Abend ist dann das Modell endlich ein grosses Stück weiter und mein Fisch wird farbig.
Kurz vor Sonnenuntergang gehe ich noch auf den Liegestuhl und geniesse das «Pläuderlen» mit meiner Mama. Das Osternest ist auch mit dabei. Da ich aber so kaputt bin, schlafe ich innert Kürze ein und erwache erst wieder, als die Sonne schon untergegangen ist.
So, heute steht noch ein Endspurt bevor! Mein Laptop ist überlastet und stürzt einige Male ab – na toll! Dann aber, nach einem harten Brocken Arbeit ist mein Clown-Fisch kurz vor 18 Uhr fertig modelliert, geshadet und animiert.
Endlich! Ich liebe es, wenn ich etwas abhaken kann. Ich lese die Dokumentation noch ein letztes Mal gründlich durch und gebe den Auftrag ab. Nachher gönne ich mir einen kühlen Apéro. Ich nehme mir vor, morgen einfach einmal nichts für die Schule zu tun. Mein Akku ist leer.
Wir haben echt Glück! Dank dem schönen Wetter können wir die Tage hier verbringen. Die Sonne lädt unsere Solarzellen ständig auf und wir haben ausreichend Strom für unsere Laptops. Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben auch schon ganze Sommer hier erlebt, an welchen es kaum schöne Tage gab. Ohne Strom wäre diese Abgabe in «Mediengestaltung» unmöglich gewesen. Nur dank Strom habe ich auch die Möglichkeit, mit Kameras die Momente festzuhalten.
Strom gab es hier noch lange nicht immer. Am 28. Oktober 2001 brannte im Pendlahüschi erstmals elektrisches Licht. Die nötige Energie wird über eine Solaranlage via zwei grosse Batterien gespiessen.
Der Schnee ist in der Zwischenzeit schon ein grosses Stück geschmolzen. In meinem «Schnee-Tagebuch» werden die Abstände zwischen den Pfosten immer grösser, da die Schneeschicht immer dünner wird.
Aus Schnee wird Wasser, deshalb sprudelt auch unser Brunnen in voller Pracht. Das ist nicht immer so. In schönen Sommer-Monaten trocknet die Quelle leider häufig aus. Das war früher noch nicht der Fall, da die Sommer meist kühler waren als heute. Die Klimaerwärmung spürt man also auch hier. Wie wichtig das Wasser auf Pendla ist, erfährst du im folgenden Exkurs über das Wasser.
Exkurs WasserEs sind immer noch Osterferien. Endlich habe ich heute einmal nichts zu tun. Ich freue mich, schon am Morgen einen Spaziergang zu machen. Eigentlich habe ich mich auf schönes Wetter eingestellt, doch genau heute schlagen die Wolken durch. Es ist ein Wetterkampf, einmal Sonne, einmal Nebel.
Auf meinem Spaziergang gehe ich an einen Ort, welchen ich sehr gerne mag. Dort hat man bei klarem Wetter einen schönen Überblick über das Tal.
Auf dem Heimweg treffe ich noch einen violetten Seidelbast an. Diese Sträucher stehen unter Naturschutz. Er hat einen aussergewöhnlichen, fein duftenden Geschmack – wie ein Parfüm.
Nach dem inspirierenden Spaziergang entschliesse ich mich, endlich einmal einen langersehnten «Chill-Tag» zu machen. Seit ich da bin, habe ich täglich für die Schule gearbeitet. Da einige Abgaben nun vorbei sind, kann ich es jetzt endlich einmal ein bisschen geniessen. Ich nehme eine Flasche «Pendla-Wasser», mache mir einen Kaffee und lege ein Buch bereit. Nachdem ich einige Seiten gelesen habe, schaue ich einfach mal hoch in den Himmel. Es ist ein Kommen und Gehen mit den Wolken heute. Ein Schauspiel der Natur.
Zu hören ist nicht viel. Allein die Vögel singen in voller Lautstärke. Ich schaue in den Himmel und geniesse die Aussicht. Heute ist es ein «Kommen und Gehen» der Wolken:
Am Abend werfe ich noch einen Blick auf mein «Schnee-Tagebuch». Der Schnee ist jetzt von Tag zu Tag ein grosses Stück weggeschmolzen. Nun sind es etwa 20-30 Zentimeter pro Tag. Bald ist er ganz weg hier.
Die Wolken haben sich in der Zwischenzeit verzogen und es ist wieder der schönste, klarste Himmel.
Naja, wie könnte es in meiner Freizeit anders sein? Wandern ist eines meiner grössten Hobbys und so möchte ich auch heute wieder spazieren gehen. Diesmal nehme ich Daniel mit. Wir laufen den Berg etwa 30-45 Minuten steil hinauf und gelangen schlussendlich ins «Tiefried» auf Gemeindegebiet von Furna. Von hier aus hat man einen tolle Aussicht!
Hier im «Tiefried» hat es noch mehr Schnee als in unserem Pendla. Es liegt auch etwa 350 Meter höher als Pendla. Auch da hat es Walser-Hütten.
Auf einer Bank lassen wir uns nieder und geniessen die Aussicht. Es ist schön, mal wieder ein bisschen «quality time» mit dem Freund zu verbringen. Da Daniel an der Bachelorarbeit ist, kann er nicht lange bleiben und geht auf den Heimweg. Ich beschliesse noch ein bisschen zu bleiben, um meine verdiente Lernpause auszuschöpfen.
Während ich auf der Wiese die Aussicht geniesse, stechen mir diese gelben Blumen in die Augen. Ich kenne sie von irgendwo. Meine Mama hat diese auch schon für Tee mit nach Hause genommen. Genau – das ist Huflattich! Ich beginne zu pflücken…
Bald ist der Schnee komplett weg. Bleibt das Wetter weiterhin so, dürfte mein «Schnee-Tagebuch» nicht mehr lange andauern.
In meinem «Schnee-Tagebuch» haben sich bereits hunderte Krokusse gebildet. Der Schnee ist weg. Jetzt ist nur noch «weiss» von wunderbaren Blumen.
Im «Franzosengrab» hinter dem Pendlahüttli hat es bereits keinen Schnee mehr. «Franzosengrab» wird eine Stelle in unserer Wiese bezeichnet. Dort sollen zur Zeit der Franzoseninvasion anno 1799/1800 mehrere französische Soldaten, die bei ihren Raubzügen auf Pendla umgekommen sind, begraben worden sein. Ca. 1'000 Franzosen waren zu dieser Zeit in Grüsch einquartiert und haben diversen Bauern die Tiere gestohlen. Deshalb sind einige Grüscher nach Pendla geflüchtet und ein paar wenige Franzosen sind ihnen gefolgt. Diese haben die Grüscher getötet und dort vergraben. Deshalb «Franzosengrab».
Die Zeit ist nun gekommen – leider! Wir haben entschieden, uns morgen vom Pendlahüschi zu verabschieden. Das fällt uns einerseits schwer, da wir noch gerne länger geblieben wären. Andererseits haben Daniel und ich eine anstrengende Woche vor uns und das Wetter soll nicht mehr gut sein. Das heisst, wir hätten in der nächsten Woche wahrscheinlich keinen Strom mehr. Deshalb entscheiden wir uns, den Heimweg anzutreten.
Der letzte Sonnenuntergang geniessen wir deshalb in vollen Zügen.
Wie es die Tradition so verlangt, gibt es an unserem letzten Abend ein gemütliches Raclette und ein Glas Wein.
Innerlich sage ich Pendla schon heute «adé» und geniesse die frische Abendbrise. Morgen wird ein harter Tag mit viel Aufräumen und Putzen. Es ist schade, aber wahr. Irgendwann müssen wir wieder zur «Normalität in der Zivilisation» zurückkehren. Mal schauen, wie «normal» es unten im Tal ist. Was hat sich auf «Corona-Ebene» getan? Wir werden es sehen.
Ich erwache deprimiert. Grund: Heute ist Abreise-Tag. Schon als kleines Kind bin ich nie gern von Pendla zurück nach Hause gegangen.
Hier ist die «Welt einfach noch in Ordnung». Im Tal hat man immer viele Verpflichtungen und Pendenzen. In Pendla bleibt die Zeit einfach stehen. So sieht das Hüschi immer noch genau gleich aus wie vor über 20 Jahren. Es ist schön, dass sich hier nichts verändert. Pendla bleibt gleich.
Obwohl ich gar keine Lust habe, rapple ich mich auf und beginne zu putzen und aufzuräumen. Am Schluss laufe ich noch um die Hütte, mache ein «Strüssli» und verabschiede mich von Pendla. Das Hüschi kann jetzt wieder die Ruhe geniessen.
Die Fensterläden sind zu. Nun ist es definitiv so weit.
Hoffentlich kann ich dem Pendlahüschi bald wieder «hallo» sagen. Nun geht es aber wieder zurück nach Hause. Dort ruft die Pflicht.
Schön war’s! Alles was bleibt ist die Erinnerung. Das Frühlingserwachen zu begleiten, war eine wunderbare Erfahrung. Das Experiment, die Schule fast drei Wochen von hier aus zu meistern, ist mehr als nur gelungen. Ohne «Corona» wäre das nicht möglich gewesen, weil ich im Normalfall «Präsenzunterricht» gehabt hätte. Noch nie war ich am Stück so lange hier – schon gar nicht im Frühling. Das Erlebnis war eine Bereicherung! Ich hätte ehrlichgesagt nicht gedacht, dass es so gut funktioniert. Das ist hauptsächlich dem schönen Wetter zu verdanken. Ich konnte aus der «Corona-Situation» noch das Beste daraus machen.
Jedes Medium, Foto oder Video, erzählt eine Geschichte. Das Ziel «die Einfachheit darzustellen» habe ich in diesem «Pendlablog» verfolgt und so gut als möglich zur Darstellung gebracht. Ebenfalls konnte ich dir einen Einblick in das Leben vor 100 Jahren und das heutige Leben in einem Maiensäss gewähren. Es ist eine Reise von der Vergangenheit in die Gegenwart. Es war für mich als «MMPlerin» eine Herausforderung, welche ich aber gerne angenommen habe – es war eine positive Selbsterfahrung.
Hoffentlich hat dir dieser doch sehr aussergewöhnliche «Pendlablog» gefallen. Ich danke dir herzlich, dass du mit dabei warst und hoffentlich kannst du das Eine oder Andere für dich mitnehmen.
Ich kann es jedem nur empfehlen, Ferien auf einem Maiensäss oder einer Alp zu machen. Es ist einzigartig und dient zur optimalen Entschleunigung gegenüber dem sonstigen, stressigen Alltag.
Herzlichen Dank für's Lesen vom «Pendlablog».
Und wer weiss, vielleicht trifft man sich in der Höhe mal wieder! :)
Bildmaterial (alt) & wertvolle historische Informationen: Luzi Nett (Grossvater) – danka, Eni! :)
Bildmaterial (aktuell): Nicole Nett